Gianni Schicchi – Oper in einem Akt von Giacomo Puccini
Libretto von Giovacchino Forzano nach Dante Alighieri
Elektra – Tragödie in einem Aufzug von Richard Strauss
Libretto von Hugo von Hofmannsthal nach Sophokles
Eine Pause
ERBEN IN NOT
Kaum ist Buoso Donati verstorben, da scharen sich die Verwandten schon wie die Aasgeier um den Leichnam. Schließlich gilt es, beim Erben den besten Schnitt zu machen. Nachdem die geheuchelte Trauer ausgiebig bezeugt wurde, begibt sich die Familie auf die Suche nach dem Testament. Doch als sie es findet, ist die Enttäuschung groß: Der Alte hat sein gesamtes Vermögen dem Kloster vermacht. Für den jungen Rinuccio bedeutet das, dass er seine geliebte Lauretta nicht wird heiraten dürfen – bis ihm ein Gedankenblitz kommt: Der gewitzte Gianni Schicchi, Laurettas Vater, wird sicherlich eine Lösung finden! Und tatsächlich ist der herbeigeeilte Gianni Schicchi sogleich bereit, sich gegenüber dem Notar als sterbender Buoso Donati auszugeben. Nur über die Aufteilung des Erbes hat er andere Ansichten …
EIN TEIL VOM GANZEN
Giacomo Puccinis (1858–1924) Erbschleicherkomödie Gianni Schicchi ist eigentlich der abschließende Teil des sogenannten Trittico, neben Il tabarro und Suor Angelica. Der Kontrast der 1918 in New York uraufgeführten drei Einakter könnte nicht größer sein: Während Il tabarro (Der Mantel) den brutalen Mord nach einem Seitensprung illustriert, treibt die Verzweiflung in Suor Angelica eine Nonne in den Selbstmord, als sie vom Tod ihres unehelichen Kindes erfährt. Obwohl auch Gianni Schicchi den Tod zum Thema hat, kommt die komische Oper mit leichtfüßigem Witz daher.
GEFÜHLSSTÜRME
Doch alle drei Opern handeln auch von der Liebe: von leidenschaftlich-eifersüchtiger Raserei über Mutterliebe bis hin zu den zarten Banden, die Rinuccio und Lauretta auf der Bühne im Festspielhaus CCH knüpfen wollen. Überhaupt war die Liebe stets ein bedeutendes Thema für Puccini: Als erwiesener Casanova hat er zahlreichen Frauen den Kopf verdreht und war Experte für große Gefühle. Und wer weiß? Vielleicht handelt ja auch die gierige Sippschaft Buoso Donatis nur aus Liebe, wenn sie versucht, die anderen Erben übers Ohr zu hauen. Und sei es bloß die Liebe zum Geld.
RACHEDURST
… erfüllt hingegen Elektras Herz! Als der heldenhafte König Agamemnon aus dem Trojanischen Krieg zurückgekehrt ist, wurde er in seinem Palast von Aegisth, dem Geliebten seiner Frau Klytemnästra, ermordet. Seitdem fiebert Elektra, Tochter Agamemnons, der Rückkehr ihres Bruders Orest entgegen, auf dass er den Vater räche und das rechtmäßige Erbe antrete. Sie selbst hat ihn vor dem Blutrausch der Mörder gerettet und außer Landes gebracht. Als sie die Konfrontation mit der von quälenden Träumen geplagten Klytemnästra sucht, erfährt sie durch ihre Schwester Chrysothemis von Orests Tod. Doch gerade als sie den Beschluss fasst, selbst den Vater zu rächen, gibt sich ihr ein Bote als Orest zu erkennen – und macht sich auf, das blutige Werk zu vollbringen. Elektra wartet gebannt …
NEUE TÖNE
Nach dem Sensationserfolg mit Salome, in der Richard Strauss (1864–1949) nach den beiden von Wagner inspirierten Frühwerken Guntram und Feuersnot zu einer musikalisch völlig neuen, rauschhaft-opulenten und die Grenzen der Harmonik auslotenden Sprache gefunden hatte, legte er mit der 1909 in Dresden uraufgeführten Elektra nach. Mit ihren kühnen Reibungen macht die Oper den Schmerz und die unbändige Wut der Titelfigur nahezu physisch greifbar. Vielen Musikern und Musikliebhabern gilt die an Spannung kaum zu überbietende Elektra als Höhepunkt in Strauss‘ Schaffen.
ANTIKER MYTHOS
Den Text Hugo von Hofmannsthals hat Strauss dabei genial in Musik überführt – dabei war das Stück eigentlich nie als Libretto vorgesehen. Schon die drei großen attischen Dichter Aischylos, Euripides und Sophokles haben die Tragödie des mykenischen Königshauses, auf dem im Mythos von alters her ein Fluch lastet, behandelt. Im Gegensatz zu den drei griechischen Dramatikern, die den Schwerpunkt auf das Heroische der Erzählung legten, stellte Hofmannsthal jedoch das Dunkle und Gewalttätige in den Mittelpunkt seiner Dichtung. Noch heute lässt einem Elektra das Blut in den Adern gefrieren.