"Eines der kreativsten Saxophon-Ensembles Europas." (MDR)
Diese Besetzung hört man nicht alle Tage: Das Alliage Quintett hat sich einen Namen gemacht mit großen klassischen Werken – die von vier Saxophonen von Klavier begleitet neu interpretiert werden. Von Vivaldi bis Gershwin präsentieren die Musiker eine gewaltige Bandbreite von Barockklängen bis zu den Rhythmen des 20. Jahrhunderts. Und auch Arrangements von Werken von Schostakowitsch, Tschaikowski und de Falla bringt das Quintett mit in den Festsaal der Freien Waldorfschule.
Der Berliner Cellist Alban Gerhardt, der mit Orchestern wie den Berliner Philharmonikern, dem Cleveland Orchestra oder dem London Philharmonic Orchestra in aller Welt zu erleben ist, lotet gern Grenzen aus und tritt nach Arbeiten mit bildenden Künstlern immer häufiger gemeinsam mit der ungewöhnlichen Besetzung des Alliage Quintetts auf. 2023 ist das gemeinsame Projekt Phantasy in Blue auch auf einer CD veröffentlicht worden, die die einmalige musikalische Symbiose festhält.
PROGRAMM
Antonio Vivaldi, arr. Itai Sobol
Concerto a-Moll RV 418
- Allegro
- Largo
- Allegro
Dmitri Schostakowitsch, arr. Levon Atovmian
Fünf Stücke
- Präludium
- Gavotte
- Walzer
- Elegie
- Polka
Pjotr Iljitsch Tschaikowski, arr. Stefan Malzew
Variationen über ein Rokoko-Thema op. 33
***
Manuel de Falla, arr. Sebastian Gottschick
Siete canciones populares españolas
- El paño moruno
- Seguidilla murciana
- Asturiana
- Jota
- Nana
- Canción
- Polo
George Gershwin, arr. Stefan Malzew
Phantasy in Blue
PROGRAMMHEFT
Antonio Vivaldi
Der italienische Barockkomponist Antonio Vivaldi (1678–1741) gilt als absoluter Vielschreiber – zurecht, hat er doch mehr als 800 Kompositionen hinterlassen, dazu vermutlich etliche mehr, deren Zuschreibung bis heute ungeklärt ist. Nachdem seine Werke in Vergessenheit geraten waren, kaufte die Turiner Nationalbibliothek 1928 ganze 97 Bände mit Vivaldi-Kompositionen aus Klosterbesitz an. Und stellte schon bald fest, dass diese Bände nur etwa die Hälfte aller Werke umfassten. Zwei Jahre später wurde die Sammlung komplettiert und der Großteil der Kompositionen war bekannt. Doch bis heute werden immer wieder Drucke und Manuskripte in Bibliotheken, Archiven und in Privatbesitz entdeckt.
Der in Venedig während eines Erdbebens geborene und notgetaufte Komponist entwickelte sich nach einer Weile zu einer der wichtigsten Figuren des italienischen Musiklebens. Sein Vater – von Beruf eigentlich Barbier – sorgte als Violinist für Furore und legte seinem Sohn das Talent in die Wiege. Antonio Vivaldi trat in die Fußstapfen seines Vaters, wenn auch nur an der Geige und nicht am Rasiermesser. Stattdessen strebte er eine klerikale Laufbahn an: Im Alter von 15 Jahren empfing er die erste niedere Weihe, mit 18 wurde er Subdiakon. 1703 empfing Vivaldi schließlich die Priesterweihe. Bereits eineinhalb Jahre später gab er seine Arbeit als Priester aus gesundheitlichen Gründen wieder auf und verdiente seinen Lebensunterhalt als Instrumentallehrer für Violine, Violoncello und Viola da gamba am Waisenhaus Ospedale della Pietà, dessen Orchester unter seiner Leitung Berühmtheit erlangte. In dieser Zeit entstanden zahlreiche seiner Concerti, auch erste Opern – bis zu seinem Tod schrieb er mehr als 550 Concerti, hauptsächlich für die Violine, und mehr als 50 Opern. So wurde er schließlich auch Intendant am venezianischen Teatro Sant'Angelo, nach Streitigkeiten dann 1718 in Mantua. Als er 1726 in seine Heimatstadt zurückkehrte und erneut die Leitung des Teatro Sant'Angelo übernahm, avancierte er zu einer lebenden Legende und einer Art "Wallfahrtsziel" für Musiker aus aller Welt. Doch der Musikgeschmack änderte sich zunehmend, sodass Vivaldi 1740 nach Wien zog und dort sein Glück versuchte. Obwohl er der berühmteste Musiker seiner Zeit in ganz Europa war, fand er in Wien kaum Beachtung und starb dort im Alter von 63 Jahren verarmt.
Vor allem seine Concerti machten Vivaldi berühmt: Noch heute sind die Vier Jahreszeiten als Zyklus aus vier Violinkonzerten nahezu jedem ein Begriff. Vivaldi prägte die Gattung, indem er sie auf eine verhältnismäßig starre Form aus Orchesterritornellen und Soloepisoden festlegte und die Satzfolge schnell – langsam – schnell etablierte. Durch eine motivische Trennung von Soli und Tutti gilt er oftmals als Erfinder des (Violin-)Konzerts, die langsamen Sätze zeichnen sich durch ausgeprägte Kantilenen der jeweiligen Soloinstrumente aus. Das Concerto a-Moll RV 418 ist eines von insgesamt 29 Concerti für Violoncello. Es entstand vermutlich nach 1720. Die technischen Anforderungen sind außerordentlich vielfältig und anspruchsvoll. Wie viele der Kompositionen Vivaldis ist das Concerto zukunftsweisend für das Instrument und gilt als wichtiger Beitrag zum Genre.
Dmitri Schostakowitsch
Der russische Komponist, Pianist und Pädagoge Dmitri Schostakowitsch (1906–1975) reiht sich neben Prokofjew, Rachmaninow und Strawinski in die bedeutendsten Tonsetzer seines Heimatlandes im 20. Jahrhundert ein. Als zweites von drei Kindern eines Ingenieurs und einer Pianistin in Sankt Petersburg geboren, entdeckte Schostakowitsch schon früh seine musikalische Begabung. Bereits im Alter von elf Jahren schrieb er eine Hymne an die Freiheit und einen Trauermarsch für die Opfer der Revolution, nachdem er erlebt hatte, wie die Polizei einen demonstrierenden Arbeiter erschossen hatte. Mit 13 Jahren begann er ein Studium am Sankt Petersburger Konservatorium. Alexander Glasunow, der das Institut leitete und den jungen Komponisten immer wieder förderte, urteilte damals: "Ich finde seine Musik schrecklich. Es ist das erste Mal, dass ich die Musik nicht höre, wenn ich die Partitur lese. Aber das ist unwichtig. Die Zukunft gehört nicht mir, sondern diesem Jungen." Seine 1. Sinfonie (1925) verschaffte ihm einen großen Erfolg und machte ihn über Nacht berühmt. Schon damals litt er jedoch an einer Lungen- und Lymphdrüsentuberkulose, die seine Gesundheit bis zu seinem Tod schwächen sollte.
Schostakowitschs 2. Sinfonie An den Oktober entstand als Auftragswerk zum 10. Jahrestag der Oktoberrevolution. Damit rückte er in die Nähe des stalinistischen Regimes, für das er zahlreiche weitere Werke schuf. Dennoch wahrte er immer eine ideologische Distanz und geriet bereits mit seinem Ballett Der Bolzen in die Fänge der Zensur. Seine Oper Lady Macbeth von Mzensk wurde knapp 200 mal aufgeführt, bis Stalin eine Aufführung besuchte, kommentarlos verließ und anschließend persönlich einen Artikel verfasste, in dem Schostakowitsch "linksradikale Zügellosigkeit" und "kleinbürgerliches Neuerertum" vorgeworfen wurden. Der Komponist lebte ab diesem Moment in ständiger Angst vor der Verhaftung oder Hinrichtung – nicht zu Unrecht, wie seine zahlreichen Verhöre durch die Geheimpolizei belegen. "Das Warten auf die Exekution ist eines der Themen, die mich mein Leben lang gemartert haben, viele Seiten meiner Musik sprechen davon", bekannte Schostakowitsch später. Auch nach einer Aussöhnung mit dem Regime blieb die ständige Angst bestehen, die Kritik des Komponisten an der Politik war zwischen den Noten stets versteckt. Neben 15 Sinfonien, 15 Streichquartetten und acht Opern komponierte Schostakowitsch zahlreiche Filmmusiken und drei Ballette.
Das erste der fünf Stücke im Konzert ist ein Präludium aus der Musik zum Film Die Stechfliege aus dem Jahr 1955, das zweite eine Gavotte aus der 3. Ballettsuite (1952), die ursprünglich aus der Schauspielmusik zu Die menschliche Komödie (1933/1934) stammt. Der Walzer ist Teil der nur teilweise erhaltenen Musik zum Zeichentrickfilm Das Märchen vom Popen und seinem Knecht Balda aus den Jahren 1933/1934. Die Elegie stammt wie die Gavotte aus der Schauspielmusik zu Die menschliche Komödie. Die abschließende Polka wurde der 1. Ballettsuite von 1949 entnommen. Ursprünglich stammt sie aus dem Ballett Der helle Bach (1934/1935).
Pjotr Iljitsch Tschaikowski
Als bedeutendster romantischer Komponist Russlands gilt gemeinhin Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840–1893). Eigentlich ein Rechtsgelehrter, begann er erst spät mit einem Musikstudium. Mit 22 Jahren trat er ins Petersburger Konservatorium ein, das Anton Rubinstein erst drei Jahre zuvor gegründet hatte. 1866 wechselte er nach Moskau, wo er bei Rubinsteins Bruder Nikolai unterkam und selbst unterrichtete. Viele seiner ersten erfolgreichen Werke stammen aus diesen Jahren, so beispielsweise die 1. Sinfonie oder die Ouvertüre Romeo und Julia. Gleichzeitig wurden einige seiner Werke von Kritikern verrissen oder ihre Uraufführung gleich abgelehnt. Auf die Kritik reagierte der Komponist äußerst sensibel: Einige der Werke verbrannte er.
Auch das 1. Klavierkonzert – Tschaikowskis populärstes Werk – stieß zunächst auf Ablehnung. Als der Komponist es Nikolai Rubinstein vorspielte, empfahl dieser ihm, das Konzert zu vernichten und es von Grund auf neu zu verfassen. Tschaikowski jedoch verweigere jedwede Änderung und sandte die Noten an Hans von Bülow, der es mit großem Erfolg zur Uraufführung in Boston brachte. 1877 heiratete er schließlich Antonina Iwanowna Miljukowa, die mit Selbstmord gedroht hatte, sollte er sich nicht mit ihr treffen wollen. Für Tschaikowski fungierte die Ehe als Tarnung seiner Homosexualität, gleichwohl war sie ein Albtraum: Er empfand einen regelrechten Widerwillen gegen seine Frau, sodass sich das Paar nach etwa drei Monaten wieder trennte. Die Ehe blieb jedoch bis zu seinem Tod bestehen. Im Alter von 53 Jahren starb der weltweit angesehene Komponist plötzlich – vermutlich an der damals in Russland grassierenden Cholera. Die Todesursache ist bis heute nicht abschließend geklärt: Auch die Möglichkeit eines Suizids mithilfe von Arsen steht im Raum, soll Tschaikowski doch kurz zuvor von einem "Ehrengericht" der Rechtsschule dazu aufgefordert worden sein.
Die Variationen über ein Rokoko-Thema stammen entstand zwischen Dezember 1876 und März 1877. Tschaikowski komponierte sie nach dem musikalischen Vorbild Mozarts in einem klassizistischen Stil. Das verwendete Thema ist allerdings kein tatsächliches Rokoko-Thema, sondern wurde von ihm als Imitation im entsprechenden Stil geschrieben. Das Stück besteht aus einem Thema und acht Variationen (bei der Uraufführung lediglich sieben) und ähnelt einem Cellokonzert. Für den Solisten ist besonders das Spiel in einer hohen Daumenlage eine besondere Herausforderung. Nach einer kurzen Einleitung durch das Orchester erklingt das Thema im Solo-Violoncello. Nachdem es durch mehrfache Wiederholung gefestigt wurde, wird es in der ersten Variation in Triolen gespielt, anschließend nimmt es an Tempo zu. Das Andante überführt das Thema nach d-Moll (die einzige Moll-Variation), das Allegro vivo im Anschluss endet temporeich in einer sogenannten Mannheimer Rakete. Im weiteren Verlauf verschränkt Tschaikowski auch die Überleitungsfigur zwischen den einzelnen Variationen immer stärker mit dem Thema. Die abschließende Coda greift das Material des Werks episodisch wieder auf. Vielfach wird auch heute die Fassung der Uraufführung gespielt, die vom damaligen Solisten Wilhelm Fitzenhagen arrangiert wurde. Dabei fehlt die achte Variation, die anderen stehen teils in veränderter Reihenfolge.
Manuel de Falla
Manuel María de Falla y Matheu (1876–1946) stammte gebürtig aus Cádiz und zeigte früh seine musikalische Begabung, die von seiner Mutter, einer Pianistin, gefördert wurde. Im Alter von 20 Jahren nahm er ein Musikstudium am Madrider Konservatorium auf. Erste Kompositionen, mit denen er seine Familie finanziell unterstützen wollte, waren wenig erfolgreich. Seine von Flamencomusik geprägte Oper La vida breve (1904/1905) wurde mit einem begehrten Hochschulpreis ausgezeichnet und kann als sein Durchbruch angesehen werden – wenngleich sie erst 1913 uraufgeführt wurde. Mit Anfang 30 ging de Falla nach Paris, wo auch seine Siete canciones populares españolas entstanden. Entsetzt über den Spanischen Bürgerkrieg und den Zweiten Weltkrieg verließ er seine Heimat und wanderte nach Argentinien aus, wo er schließlich kurz nach Kriegsende starb.
Vor allem seine beiden Ballette El amor brujo (Der Liebeszauber) und El sombrero de tres picos (Der Dreispitz) sind heute noch bekannt. Als einer der führenden Komponisten für Neue Musik seiner Zeit setzte er sich auch stark für die traditionelle Volksmusik Spaniens ein, die großen Einfluss auf sein Werk hatte. Ursprünglich handelt es sich bei den Siete canciones populares españolas um eine Komposition für Sopran und Klavier, die jedoch in zahlreichen weiteren Arrangements existiert. Gewidmet wurden die Lieder der Mäzenin Madame Ida Godebska, die de Falla in Paris kennengelernt hatte. Die Texte aller Lieder kreisen um die Liebe, stilistisch sind sie dabei sehr divers aufgestellt: Die Asturiana ist – wie der Name bereits sagt – eine Form aus Asturien, die Seguidilla eine Art Flamenco aus Murcia. Jota orientiert sich an musikalischen Vorbildern aus Aragón.
George Gershwin
Nicht nur für seine Musicals ist er berühmt: George Gershwin (1898–1937) wurde in Brooklyn geboren und arbeitete zunächst als Hauspianist eines Musikverlags. Die Arbeit regte ihn zu eigenen Kompositionen an und schon bald fanden seine Songs Anklang am Broadway. Schließlich schuf er gemeinsam mit seinem Bruder Ira als Librettist mehrere eigene Shows wie Oh, Kay!, Funny Girl oder Pardon My English. Zu seinen bekanntesten und populärsten Werken zählen allerdings seine Oper Porgy and Bess, seine Tondichtung An American in Paris und die Rhapsody in Blue – alles Werke, die stark von Ragtimes und Jazzelementen geprägt sind. Im Alter von 38 Jahren starb Gershwin nach einer Notoperation wegen eines Gehirntumors.
Der Bandleader Paul Whiteman kam Ende 1923 auf Gershwin zu, um ihn um ein Jazzstück für Orchester zu bitten. Der Komponist lehnte die Bitte ab, erfuhr aber kurze Zeit später aus einer Anzeige für das bevorstehende Konzert, "er arbeite daran". Unter Hochdruck machte sich der überrumpelte Gershwin an die Komposition, die Instrumentation überließ er jedoch einem erfahrenen Arrangeur, da ihm selbst die notwendigen Kenntnisse zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere fehlten. Am 12. Februar 1924 gelangte die Rhapsody in Blue für Klavier und Jazzorchester mit Gershwin als Solist zur Uraufführung in New York. Den Grundgedanken – rasante Klaviersoli über einem Orchestersatz – hat Stefan Malzew für sein Arrangement Phantasy in Blue umgedreht: Der Solopart teilt sich auf das Cello und die Saxophone auf, das Klavier leistet hingegen die harmonische Arbeit eines ganzen Orchesters. Bei aller Vertrautheit mit dem Original bietet das Arrangement eine gänzlich neue Perspektive auf die Rhapsody in Blue.
Gerhard Herfeldt
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