„Kammermusik vom Feinsten.” (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
Selten gemeinsam zu hören sind die Kompositionen des 1. Meisterkonzerts: Werke gleich dreier südafrikanischer Komponisten hat das international gefeierte Signum Quartett für seinen Besuch in Heidenheim im Gepäck. Haydns in London uraufgeführtes Lerchenquartett – benannt nach dem Lerchenruf der im ersten Satz in der Violinstimme erschallt – gehört hingegen zu den beliebtesten Quartetten des gesamten Repertoires. Schwergetan bei der Komposition hat sich hingegen Johannes Brahms, hatte er doch bereits rund 20 Streichquartette verfasst (und wieder vernichtet) bevor er sein c-Moll-Quartett schrieb – und glücklicherweise für würdig erachtete, der Nachwelt erhalten zu bleiben.
Das in Bremen beheimatete Signum Quartett blickt inzwischen auf eine mehr als 30-jährige Konzerttätigkeit zurück. Seit 2016 spielt es in der heutigen Besetzung. Die langjährige Karriere hat die Musiker in die großen Konzertsäle der Welt und zu Festivals auf dem gesamten Globus geführt: von Europa bis Afrika, Asien, Nord- und Südamerika.
PROGRAMM
Joseph Haydn
Streichquartett D-Dur op. 64,5 Hob. III:63 Lerchenquartett
1. Allegro moderato
2. Adagio – Cantabile
3. Menuett: Alegretto – Trio
4. Finale: Vivace
Neo Muyanga
eMthini we Mbumba
Kompositionsauftrag des Signum Quartetts mit der Unterstützung der Karin und Uwe Hollweg Stiftung
Thandi Ntuli
"In the land where she is king"
Kompositionsauftrag des Signum Quartetts mit der Unterstützung der Karin und Uwe Hollweg Stiftung
Dizu Plaatjies, bearb. Matthijs van Dijk
21:30
Kompositionsauftrag des Signum Quartetts mit der Unterstützung der Karin und Uwe Hollweg Stiftung
***
Johannes Brahms
Streichquartett c-Moll op. 51,1
1. Allegro
2. Romanze: Poco Adagio
3. Allegretto molto moderato e comodo – Trio: Un poco piú animato
4. Allegro
PROGRAMMHEFT
Joseph Haydn
Joseph Haydn (1732–1809) war Zeit seines Lebens ein großer Naturfreund. Da verwundert es kaum, dass seine Verbundenheit auch musikalische Spuren hinterlassen hat: Neben den zahlreichen Anklängen in seinem Oratorium Die Schöpfung (1798) ist sie vor allem in seinem Streichquartett in D-Dur, dem sogenannten Lerchenquartett, zu hören. Der Name geht auf den Lerchenruf in der ersten Violine zurück, der zu Beginn des Kopfsatzes erklingt. Die Melodie erhebt sich über einer zarten Begleitfigur und wurde sogleich vom Publikum der Uraufführung des Werks erkannt.
Haydn schrieb das Quartett als Teil der zweiten Serie der Trostquartette, benannt nach dem Geiger Johann Trost, der bis 1788 im Orchester des Komponisten auf Schloss Esterháza als Stimmführer der zweiten Violinen gewirkt hatte und nach der Heirat mit einer vermögenden Wienerin als Musikalienhändler und Mäzen reüssierte. Neben Haydn bedachte er beispielsweise auch Wolfgang Amadeus Mozart mit Kompositionsaufträgen.
Das Lerchenquartett entstand 1790 als fünftes von insgesamt sechs Quartetten – fünf davon in Dur-Tonarten, ein weiteres in h-Moll. Sie alle zeichnen sich durch eine geradezu sinfonische formale Anlage aus. Als Teil der Konzerte des Konzertunternehmers Johann Peter Salomon in London wurden sie durch Haydn mit größtem Erfolg "unter seiner Leitung in Mr. Salomon’s Konzert in den Festino Rooms am Hannover Square aufgeführt", wie es im Londoner Erstdruck heißt.
Das berühmte Lerchenthema verändert sich im Laufe des Kopfsatzes praktisch nicht, sondern schwebt stets in derselben hohen Lage über dem musikalischen Geschehen. Es bleibt von der thematischen Arbeit unberührt, die sich auf die markante Triolenfigur des Satzes konzentriert. Verwandlung und Unveränderbarkeit werden dadurch kontrastreich gegeneinander ausgespielt. Auch der zweite Satz, ein kantilenenartiges Adagio, führt die etablierte Idylle weiter. In seiner dreiteiligen Liedform ist lediglich der Mittelteil etwas belebter. Das Menuett als dritter Satz vereint derbe Bauernmusik mit elegantem Witz. Die Nähe zum Tanzmenuett wird immer wieder deutlich, während das Trio ernstere Töne anschlägt. Trotz seiner Unterkomplexität (es ist nicht einmal ein Rondo) sprüht das Finale vor Spaß und Ausgelassenheit. Ein rasend schnelles Sechzehntelthema in Dur gerät zum treibenden Perpetuum mobile, um im Moll-Mittelteil einer raffinierten Durchführung Platz zu machen. Der Satz rauscht geradezu vorbei.
Neo Muyanga – Thandi Ntuli – Dizu Plaatjies
Gleich drei Werke hat das Signum Quartett bei südafrikanischen Komponisten mit der Unterstützung der Karin und Uwe Hollweg Stiftung in Auftrag gegeben. Eine gute Gelegenheit, diese selbst zu Wort kommen zu lassen:
"uMthi ist der mythische Große Baum, unter dem sich Generationen von Südafrikanern versammelt haben, um sich zu einigen", schreibt Neo Muyanga (*1974) über sein Werk eMthini we Mbumba. "Ob es sich dabei um die Beilegung langjähriger Konflikte, um Verhandlungen über neue Kompromisse oder um das Eingehen neuer Bindungen handelt, der große Baum spendet allen, die ihn besuchen, gleichermaßen Schatten, Erleichterung und Schutz. Diese Arbeit stellt die hohen und niedrigen Bewegungen vor, die mit den Prozessen der Einigung verbunden sind. Das Aushalten solcher Prozesse scheint eine Fähigkeit zu sein, die in letzter Zeit Mangelware ist. Vielleicht war sie schon immer knapp? Und doch verlangt unsere Zeit den Mut, den vielen Schwierigkeiten zu trotzen, die damit verbunden sind, zu Bedingungen zu kommen, die für alle, die einen neuen, gerechteren Weg suchen, von Nutzen sind."
"'In the land where she is king' ist ein Stück, das von einem Buch inspiriert ist, das ich gerade von Dr. Mathole Motshekga lese: Die Mudjadji-Dynastie. Es geht um die Verbindung zwischen verschiedenen alten afrikanischen Königreichen, ihrer Gesellschaftsorganisation und den darin vorherrschenden gesellschaftlichen Werten von Gleichgewicht und Harmonie", schreibt Thandi Ntuli (*1987). "Dieses Stück ist meine Vorstellung davon, wie eine Gesellschaft aussehen könnte, in der die weibliche/mütterliche Kraft und die Prinzipien geschätzt werden. Ich stelle mir eine Gesellschaft vor, in der die Bedeutung der Frauen nicht heruntergespielt wird, in der sie mehr gefördert werden und in der die Menschen ihren Mitmenschen gegenüber mehr Freundlichkeit und Respekt zeigen. Eine Gesellschaft, in der Arbeit, Ruhe und Spiel in ihrer Rolle gleichwertig sind und das Gleichgewicht wiederhergestellt ist. Ein Land, das die Vielfalt von Individuen und Gemeinschaften wertschätzt, ohne den hyperindividualistischen Charakter der heutigen Welt."
Xandi van Dijk, Bratschist des Signum Quartetts, erläutert zur Komposition von Dizu Plaatjes (*1959): "Für 21:30 hat Plaatjies drei seiner Lieder ausgewählt, zwei für Mundbogen (umrhubhe) und eines für uhadi, die Matthijs van Dijk in Absprache mit Plaatjies für Streichquartett bearbeitet und arrangiert hat. Der Titel ist eine Hommage an Plaatjies' Großvater väterlicherseits, der 112 Jahre alt wurde und wie Plaatjies' Vater sowohl ein traditioneller Heiler als auch Mitglied der katholischen Kirche war. Er sagte sein eigenes Ableben auf die Minute genau voraus, und an dem Tag, an dem dies geschehen sollte, war er im Morgengrauen auf und arbeitete im Garten. Seine Familie wollte nicht glauben, dass dies der Tag sein könnte, und in der Nacht versammelte der Großvater seine Familie um sein Bett und unterhielt sich angeregt bis 21:30 Uhr, als er sich die Decke über den Kopf zog und nicht mehr lebte." Dieses Werk wurde für das Projekt bridge the chasms that divide in Auftrag gegeben, das 30 Jahre nach dem Fall der Apartheid in Südafrika stattfindet.
Johannes Brahms
Das c-Moll-Quartett von Johannes Brahms (1833–1897) wurde im Jahr 1873 in Tutzing vollendet und im Dezember desselben Jahres in Wien uraufgeführt. Es scheint jedoch so, als habe es den Komponisten genau wie ein weiteres Werk in a-Moll bereits seit 1865 beschäftigt. Brahms war für seine selbstkritische Haltung bekannt: Nach eigenen Angaben hatte er vor der Publikation bereits 20 zuvor entstandene Streichquartette vernichtet. Das c-Moll-Quartett ist die sprödere der beiden Kompositionen, streng angelegt auf eine einheitliche zyklische Viersätzigkeit. Der Komponist sprach von einer "Zangengeburt" und klagte: "Es ist nicht schwer, zu komponieren, aber es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen." Dabei spielen die beiden Quartette für die Brahms-Rezeption eine entscheidende Rolle: In seinem Aufsatz über den Komponisten widmete ihnen Arnold Schönberg wichtige Passagen, um die Kontinuität zwischen Brahms' Werken und der eigenen Musik zu verdeutlichen. Schönberg erläuterte dabei den Gedanken einer sich "entwickelnden Variation", etwa, indem er den Kopfsatz des c-Moll-Quartett auf einen einzigen motivischen Nukleus zurückführte und die anderen Themen durch Vergrößerung und Umkehrung daraus ableitete.
Die Faktur des melancholischen Kopfsatzes ist in ihrer dramatischen Zerklüftung besonders dicht in der knappen Durchführung. Einem erregten Anlauf zu Beginn folgt schwermütiges Brüten. Sämtliche Figuren des neobarock anmutenden Satzes stecken bis zum Bersten voller bewegter Energie. Brahms' im Deutschen Requiem erprobte kontrapunktische Fähigkeiten treten hier am stärksten hervor. Die anschließende Romanze, voll süßer Melancholie und Seelenschmerz, trägt mit ihren Quint- und Sextklängen Züge eines Nocturnes. Dem Hauptthema steht ein tieftrauriges Seitenthema im Mittelteil gegenüber, das in einer stockenden Triolenbewegung gefangen ist. Das untypische Scherzo, ein nachdenkliches Allegretto, gleicht einem klagenden Marsch in seiner synkopischen Bewegung. Demgegenüber steht ein folkloristischer Ländler im Trio. Das Finale in seiner geradezu orchestralen Wirkung zitiert ohne Umschweife die Themen des Kopfsatzes und spielt in seiner turbulenten Entwicklung immer wieder auf sie an. Im Gegensatz zum 1. Satz endet es jedoch in düsterem c-Moll – der "Schicksalstonart", in der Brahms sein Streichquartett verfasst hat.
Gerhard Herfeldt
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